Menschen finden neue (Hunde-)Freunde
AWO KV Wesel setzt in mehreren Einrichtungen auf tiergestützte Pädagogik mit der Hundeschule "Mensch-Hund-Systeme"
„Unsere Hunde brauchen von uns Anleitung und das Gefühl von Sicherheit und sie brauchen unsere Zuneigung, das Gefühl von Angenommensein – haben wir diesen Rahmen geschaffen, können wir gemeinsam unseren Weg gehen und die Freiheiten leben und genießen.“ Ein bedeutungsvoller Satz von Michael Stephan, Leiter der Hundeschule „Mensch Hund Systeme“. Europaweit ist er mit seinen Vierbeinern und seinem Team Julia und Sylvia für Seminare, Intensivlehrgänge und Coachings unterwegs. Und das jetzt auch im Kreis Wesel. Dr. Bernd Riekemann, Vorstand im AWO KV Wesel e.V., selbst begeisterter Hundebesitzer, knüpfte den Kontakt zur Hundeschule bei einem selbst von ihm besuchten Seminar. „Bei den Seminaren von Michael Stephan geht es um mehr als das reine Erlernen von Sitz, Platz, Steh…. Das fand ich klasse und die Idee entstand, das Konzept der tiergestützten Pädagogik mit Hunden auch in Einrichtungen der AWO stattfinden zu lassen. Auch Michael war davon angetan und so ging es dann auch schnell los.“
Mit großem Erfolg. Die Fellnasen Fine, Funny, Herbie und viele weitere, sind äußerst beliebt und zaubern sowohl Kindern als auch Erwachsenen ein Lächeln ins Gesicht. In mehreren Trainingseinheiten kommen sich Mensch und Hund näher.
Das erste Treffen und somit das Pilotprojekt fand in der sozialpädagogischen Tagesgruppe der AWO Kinder- und Jugendhilfe in Dinslaken statt. Nach einer Vorstellungsrunde ging’s sofort los. Zunächst sollten sich die Kinder einen Klicker aussuchen, mit denen sie dann das „Klickertraining“ begannen. Es wurden verschiedene Aufgaben ausgedacht, zum Beispiel in welche Richtung ein Kind in einem Parcours gehen sollte. Stimmte diese mit der zuvor abgemachten Aufgabe, die für das jeweilige andere Kind geheim war, überein, wurde als Zustimmung „geklickert“. Anschließend wurde genau das Prinzip bei den Hunden fortgeführt. Machte der Vierbeiner nach Aufforderung „Sitz“ oder „Platz“, wurde geklickert, dann gab es als Belohnung ein Leckerli. Finn ist nach der Trainingseinheit total begeistert: „Ich würde sofort weitermachen!“, sagt er und Paul meint: „Ich finde es schön, dass die Menschen nun neue Hundefreunde gefunden haben.“ Trainerin Sylvia ist beeindruckt: „Die Kinder waren anderthalb Stunden voll konzentriert bei der Sache.“ Mit dem Sozialpartner Hund an der Seite erfahren die Kinder auf einer natürlichen Ebene die Vielschichtigkeit eines gelingenden Miteinanders. Im Rahmen des Hundeabzeichens in Bronze werden die Kinder an die Hunde herangeführt und die Kinder erleben sich selbst in der Führung der Hunde. Ziel dieses Abzeichen ist es, dass die Kinder im Umgang mit dem Sozialpartner Hund erfahren Verantwortung zu übernehmen, Umsicht und Rücksichtnahme aufzubringen, sich selbst etwas zuzutrauen, die eigenen Impulse zu kontrollieren und Kritik als wertvolle Information anzunehmen.
Ebenso erfolgreich war das erste „Mensch-Hund-Treffen“ in der AWO Kita Eichendorffstraße in Moers. Im Rahmen des Projektes werden die Hunde den Kindern vorgestellt und den Kindern die Möglichkeit geboten, altersangemessen mit den Hunden in die Interaktion zu gehen. Ängstliche Kinder oder Kinder, die Hunde scheuen, werden in der Beobachtung der Hunde unterstützt, um so die Neugier auf den Hund zu entwickeln. Hier ist das Ziel des Projektes, den Kindern einen achtsamen Umgang mit den Hunden aufzuzeigen, ihren Blick für die Gestimmtheit des Hundes zu fördern.
Zuerst haben die Trainer*innen ihre Hunde vorgestellt, es kam zu einer ersten Kontaktaufnahme mit den Kindern, die dann die Hunde streicheln oder ihnen ein Leckerli geben durften. Dann wurden zwei Spiele mit den Fellnasen gespielt. Ganz wichtig: Die Hunde erst schnuppern lassen, dann von vorne streicheln. „Alle freuen sich auf das nächste Treffen“, freut sich Kita-Leiterin Christiane Lorsbach. Und auch, dass Hunde nach getaner Arbeit Ruhe brauchen und manchmal auch jaulen oder knurren, lernten die Kleinen in dieser Einheit.
„Ganz entzückt“ war Rita Kutzera, Bewohnerin des AWO Regine-Hildebrandt-Hauses, von den tierischen Gästen: „Ich hatte selbst drei Hunde. Einen Schäferhund, einen Mischling und einen Foxterrier. Ich freue mich sehr über dieses Training“, so die Hundeliebhaberin.
Daniel Glaeser, ebenfalls Bewohner in der Moerser Einrichtung, stimmte ihr zu: „Ich finde das toll!“ Nach einer Vorstellungsrunde wurde auch das „Klickern“ trainiert.
In der Zusammenarbeit mit Hunden erleben die Suchterkrankten Begegnungen, die im Hier und Jetzt ankern, wertfrei und in einer ehrlichen und authentischen Weise. Hunde nehmen ihr menschliches Gegenüber an wie es ist, sie vermitteln Lebensfreude, doch sie brauchen Klarheit und fordern diese auch von dem Menschen auch ein, der sie führen will. Kernpunkte des Projektes sind ein faires Miteinander, das Einhalten von Regeln und Absprachen. In der Führung des Hundes werden mit dem Hund Grenzen ausgehandelt und Grenzen gesetzt. Die Kommunikation der Hunde untereinander wird soweit passend auf die menschliche Kommunikation übersetzt.
Nach dem Training äußerten die Bewohner*innen den Wunsch, gemeinsam mit den Hunden und Michael Stephan und seinem Team spazieren zu gehen. Die Chemie passte einfach. Die Bewohner*innen freuen sich schon jetzt auf das nächste Treffen.
Insgesamt gibt es drei Treffen in der Kita, fünf in der Kinder- und Jugendhilfe sowie acht Einheiten im Regine-Hildebrandt-Haus. Der AWO KV Wesel möchte auch nach diesem Projekt weiterhin auf tiergestützte Pädagogik setzen. Finanziell unterstützt wird dies durch die Gemeinschaftsstiftung Arbeiterwohlfahrt am Niederrhein.